- Noten Lernen?
Das Thema „Noten“ kann für einen Anfänger verwirrend wirken und zu einiger Konfusion führen. Ich hoffe, dass Dir dieser Artikel hilft, das Thema Noten besser zu verstehen.
Was sind Noten?
Noten sind lediglich eine graphische Darstellung, um Töne und deren zeitlichen Ablauf, auf einem Blatt Papier festzuhalten. Mach Dir klar, dass Noten an sich keine Musik sind, sondern nur eine visuelle Repräsentation von Musik. In verschiedenen Kulturen gab es im Laufe der Zeit verschiedene Methoden Musik schriftlich zu notieren und manche Kulturen notieren Musik bis heute überhaupt nicht. Die Musik wird dann einfach direkt von Mensch zu Mensch weitergegeben, indem man füreinander spielt und durch Nachahmen lernt.
Eine weitere Methode, Musik z.B. für die Gitarre aufzuschreiben, ist die Tabulatur, bei der die zu spielenden Töne auf graphisch dargestellten Saiten notiert werden. Viele Anfänger denken oft, dass die Tabulatur eine Art Anfängerschrift ist, doch tatsächlich wurde diese Schreibweise schon im späten Mittelalter verwendet um Orgelmusik zu notieren.
Es gibt auch Musiker, die ihre eigene, persönliche Art erfinden für sich Musik aufzuschreiben – ein Beispiel ist der bekannte indische Musiker Ravi Shankar.
Warum hat man die Notenschrift überhaupt erfunden?
Die Notenschrift entstand, weil Menschen nach einer Möglichkeit suchten ein Musikstück festzuhalten, um es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal wiederholen zu können.
Die Notenschrift machte es auch erstmals möglich, Musik zu vervielfältigen, an andere Menschen weiterzugeben und gab Musikern die Gelegenheit, Stücke von anderen Komponisten nachzuspielen, zu hören, zu interpretieren und daraus zu lernen.
Es gab ja zu dieser Zeit keine Möglichkeiten Musik aufzunehmen, um sie dann später noch einmal anzuhören.
Du kannst es gut mit einem Buch vergleichen.
Noten sind wie Buchstaben, die eine Geschichte erzählen. Das Buch kann gedruckt, verkauft und verliehen werden, sodass auch andere Menschen eine Geschichte lesen und Spaß daran haben können. Wir erhielten so die unglaubliche Möglichkeit, einen Einblick in die Gedankenwelt eines anderen Menschen zu bekommen, ohne diesen persönlich zu kennen.
Vor dem Buchdruck erzählten sich die Menschen die Geschichten einfach gegenseitig und verbreiteten sie so weiter, aber im Laufe der Zeit führte dies dazu, dass Geschichten durch Hinzufügen, Weglassen oder Interpretationen stark verfälscht wurden und viele Geschichten einfach in Vergessenheit gerieten. All dies änderte sich mit dem Buchdruck, und genauso verhielt es sich mit der Musik durch die Erfindung der Notenschrift.
Die Notenschrift war übrigens nicht die Erfindung eines Einzelnen, sondern ein Prozess, der im Laufe der Jahrhunderte immer mehr verfeinert wurde und im 17. Jahrhundert zur Norm in Europa wurde.
Kann man Musik auch ohne Noten lernen?
Natürlich! Die einheitliche, schriftliche Darstellung von Musik ist vergleichsweise jung im Vergleich zu all den Jahrtausenden in denen Menschen Musik ohne solche Systeme gemacht haben!
Es gibt, wie bereits angesprochen, immer noch viele Kulturen die Musik gar nicht schriftlich notieren. Musik wird dort einfach gespielt und direkt weitergegeben, ohne dass jemand Noten lesen kann.
Du konntest ja auch sprechen bevor Du lesen konntest und niemand hat sich gewundert und gesagt: „Wahnsinn! Dieses Kind kann sprechen ohne die Worte abzulesen! Wie talentiert!“ Hier verhält es sich genau wie in der Musik – die Buchstaben sind nur einen Repräsentation der eigentlichen Töne, die wir Worte nennen.
Du kannst theoretisch Musik lernen und machen ohne die Symbole, die Musik beschreiben, zu kennen – allerdings ist es sehr hilfreich Musik lesen zu können, weil es einem sehr viele tolle Möglichkeiten eröffnet und es viele Dinge leichter macht.
Muss ich am Anfang erstmal Noten lernen?
Ich halte das für keine gute Idee und zwar aus folgendem Grund:
Am Anfang Noten zu lernen ist stinklangweilig und erhöht die Chancen dramatisch, schnell den Spaß an Musik zu verlieren. Als Anfänger geht es gerade darum, so schnell wie möglich Spaß an Musik zu bekommen und Erfolgserlebnisse zu haben. Wenn das nicht passiert, ist die Wahrscheinlichkeit, dass Du aufgibst extrem hoch – dann wirst Du weder spielen noch Noten lernen!
Gerade am Anfang willst Du so schnell wie möglich etwas spielen, was wie Musik klingt, oder? Du willst nicht erstmal jahrelang etwas studieren, um dann später irgendwann mal Musik zu machen. Du willst JETZT etwas spielen und je mehr Spaß es Dir macht, desto mehr Interesse bekommst Du daran, mehr über Musik zu lernen.
Ich empfehle deshalb die Tabulaturschreibweise, weil sie eine einfache und schnelle Methode ist, Musik für die Gitarre zu lesen und zu spielen.
Später, wenn das Feuer da ist und Du eine gewisse Ausdauer entwickelt hast, kannst Du auch die herkömmliche Notenschrift lernen.
Die Gefahr der Notenschrift
Gefahr der Notenschrift??? Was soll denn das sein?
Die Gefahr der Notenschrift besteht darin, dass die visuelle Repräsentation der Musik zum Ersatz der Musik selbst wird. Das bedeutet, dass es Musiker gibt, die ohne ein Notenblatt vor der Nase nichts spielen können, es sei denn sie haben das Stück auswendig gelernt und spielen aus dem Gedächtnis. Das Prinzip ist dasselbe. Du kannst nichts spielen was nicht schon vorher existiert hat. Das ist ungefähr so, als würdest Du nur sprechen können, wenn Du ein Buch mit vorbereiteten Sätzen vor Dir liegen hast und die Antworten dann abliest. Das wäre merkwürdig, oder?
Du willst doch eigenständig mit Sprache umgehen und eigene Sätze, Fragen und Antworten formulieren – du willst spontan und kreativ mit Sprache umgehen können. Das ist eine Gefahr der Notenschrift – sich immer an einem Blatt festhalten und reproduzieren, was dort geschrieben steht. Nach einiger Zeit vergisst man dann, dass die Noten auf dem Papier nur Symbole sind und nicht die Musik selbst.
Ich hatte mal eine Freundin, die Klavier gespielt hat. Ohne Noten konnte sie absolut gar nichts spielen. Ich fand das äußerst seltsam – wie ein Maler, der nur mit „Malen nach Zahlen“ malen kann…
Es ist also hilfreich Werkzeuge zum Musik machen zu nutzen, wenn aber das Werkzeug zum Meister wird, dann wird es zum Hindernis und kann die eigene Kreativität extrem einschränken.
Was ist besser, Noten oder Tabs?
Noten sind eine allgemeine Beschreibung der Musik. Tabulaturen („Tabs“) dagegen sind eine Schrift, die speziell für ein Instrument ausgelegt ist, sozusagen eine Spielanleitung.
Tabulaturen sind keine Erfindung der Neuzeit: Im 15.-18. Jahrhundert waren sie die Standardschrift der Lautenisten. Lautenstücke aus dieser Zeit sind meistens nicht als Noten, sondern als Tabulatur erhalten. Es gab unterschiedliche Formen, die den modernen Tabs ähnlich sind.
Die Tabulatur für Zupfinstrumente besteht aus Linien. Jede Linie steht für eine Saite. Wenn auf der Linie eine 0 steht, wird sie leer angeschlagen, bei einer 1 am ersten Bund gegriffen und angeschlagen, bei einer 3 am dritten und so weiter. Statt Zahlen wurden früher auch die Buchstaben des Alphabets benutzt. Auch für die Zeit bis zum nächsten Anschlag gibt es verschiedene Schreibweisen. Bei einfachen Melodien und Musik, die man schon gut kennt, führt die Methode schnell zum Erfolg. Sie hat aber auch Nachteile. Zum Beispiel fehlt die Angabe, wie lang der Ton klingen soll und zu welcher Stimme er gehört.
Noten sind auf den ersten Blick komplizierter. Sie beschreiben Musik unabhängig vom Instrument oder Gesang. Noten lesen zu können reicht noch nicht einmal aus: Man muss auch noch wissen, wie die Töne aus dem Instrument entlockt werden. Aber es lohnt sich: Noten können viel mehr ausdrücken als Tabulaturen. Man kann ihnen leichter ansehen, wie die Musik klingen soll. Man kann Musik lesen und spielen, die nicht speziell für Gitarre aufgeschrieben ist.
Bei der klassischen Gitarre kann man die Notenschrift gleichzeitig mit dem Gitarrenspiel lernen. Schritt für Schritt. Diese Methode halte ich für optimal, bei den meisten meiner Schüler funktioniert sie gut. Wenn Schüler große Schwierigkeiten mit dem Notenlesen haben, mit Tabulaturen aber gut klarkommen, sind diese natürlich erste Wahl.
- Bin ich schon zu alt?
Diese Sorge ist neben der Angst über zu dicke, dünne, kurze oder lange Finger eine der häufigsten. Selbst viele junge Menschen haben die Idee, dass man Gitarre unbedingt schon als Kind lernen müsse und es in späteren Jahren kaum Sinn mache das Instrument zu lernen…
Das ist Blödsinn.
Natürlich ist es klasse, wenn man mit dem richtigen Lehrer früh anfängt, aber ein enormer Prozentsatz von Kindern gibt auf, wechselt zur Playstation oder lernt Musik durch schlechte Unterrichtsmethoden auf Lebenszeit zu hassen. Wir alle haben wahrscheinlich so einen Fall in unserem Bekanntenkreis.
Ja, das Gehirn ist im Kindesalter sehr aufnahmefähig, aber es ist auch extrem unkonzentriert, möchte ständig etwas Neues ausprobieren und benötigt sehr schnell Resultate, denn sonst hat es keine Lust mehr.
Als erwachsener Mensch bist Du ruhiger, hast mehr Ausdauer und zudem die Erfahrung, dass alles von Wert seine Zeit benötigt, um entwickelt zu werden. Außerdem kannst Du besser mit Rückschlägen und Frustrationen umgehen, einfach weil Du schon einige auf deinem Lebensweg überwunden hast.
Es gibt Kinder, die sich sehr gut über lange Zeitabschnitte konzentrieren können und ohne Zwang mit Freude jeden Tag üben – diese Kinder sind allerdings extrem selten, denn in vielen Fällen steht hinter der oberflächlichen Disziplin eines Kindes der Druck der Eltern, die für ihr Kind bestimmte Vorstellungen haben.
Die Ergebnisse der Hirnforschung haben in den letzten Jahren immer wieder gezeigt, wie anpassungs- und lernfähig das Gehirn auch in hohem Alter ist. Schon nach wenigen Wochen Musikunterricht konnte bei älteren Menschen eine deutliche Vermehrung der neuronalen Verbindungen im Gehirn gezeigt werden.
Denk bitte nun über ein normales menschliches Leben nach und überlege ab wann wir in der Regel ernsthaft aufhören zu lernen?
Oft schon, sobald wir unsere Ausbildung beendet haben, uns an die Anforderungen unseres Jobs gewöhnt haben! Wir spulen dann nur noch bereits Erlerntes ab und gehen in unserer Freizeit Aktivitäten nach, die uns entspannen sollen – Fernsehen, auf der Couch rumlungern, mit dem Hund rausgehen und vielleicht ein wenig Sport…
Für das Gehirn (und für unseren Körper) sind solche Anforderungen ein totaler Witz – es ist für konstante Herausforderungen und konstantes Lernen konzipiert! Sobald dieses Lernmonster nicht wirklich gefordert wird, lässt die Leistung konstant nach, wie die Muskeln eines Bettlägerigen. Alles, was wir nicht nutzen, verfällt.
Wenn ich achtzig wäre und den Traum hätte Gitarre zu lernen, so würde ich noch heute damit anfangen! Was soll ich sonst machen? Kreuzworträtsel und gucken, ob der Nachbar den Rasen gemäht hat? 🙂
- Talent haben oder sein?
Das Wort „Talent“ ist stark in unseren Köpfen verankert und mit vielen falschen Vorstellungen und Missverständnissen verbunden, die wir meist nicht weiter hinterfragen.
Oft schaden uns diese Vorstellungen, weil wir uns für nicht talentiert genug halten und aus dieser Angst heraus gar nicht erst anfangen etwas zu lernen, was wir eigentlich schon immer lernen wollten. Eine häufige Idee über „Talent“, ist der Gedanke, dass man es „entweder hat, oder eben nicht“.
Ich möchte an folgendem Beispiel zeigen, dass diese Sichtweise extrem vereinfacht und schädlich ist und es einer genaueren Betrachtung bedarf, wenn man etwas über die wirklichen Ursachen erfahren möchte.
Hier mein Beispiel:
Zwei Freunde fangen zur gleichen Zeit an Gitarre zu spielen – Peter Müller und Jens Schmidt. Die beiden sind zwar Freunde, wissen aber nicht von dem anderen, dass er Gitarre spielt. Beide haben verschiedene Lehrer mit verschiedenen Unterrichtsmethoden. Keiner der beiden hatte jemals etwas mit Musik zu tun und jeder übt eine Stunde pro Tag.
Nach einem halben Jahr treffen sie sich zufällig beim Einkauf, plaudern ein wenig und finden raus, dass sie das gleiche Hobby gewählt haben – Gitarre spielen! Beide haben exakt am gleichen Tag angefangen Unterricht zu nehmen und zu üben – was für ein Zufall! 🙂
Sie beschließen sich bald zu treffen, um Musik zu machen.
Eine Woche später ist es dann soweit und es zeigt sich sofort, dass Peter im gleichen Zeitraum viel größere Fortschritte gemacht hat als Jens. Jens ist entmutigt und fängt an zu glauben, dass er kein Talent hat.
Warum sonst wäre Peter in der gleichen Zeit so viel weiter als er?
Jens fängt an zu grübeln und beschließt die Sache genauer unter die Lupe zu nehmen.
Nach einer weiteren Woche treffen sich die beiden noch einmal und Jens stellt Peter viele Fragen in Bezug auf seine Art zu Üben und dabei stellt sich Folgendes heraus:
Peter übt zu einem Großteil seiner Zeit wenige, kleine Bausteine, die ihm wirklich schwerfallen und übt diese mit hoher Konzentration immer wieder hintereinander – solange – bis sie ihm leichtfallen.
Jens hingegen springt von einer Übung zur nächsten, aber meistens spielt er einfach Sachen, die er schon ganz gut kann und die ihm Spaß machen.
Peter stellt vor seiner Übungszeit, das Internet, Handy, Telefon und die Türklingel ab (Peter war schon immer ziemlich extrem) und konzentriert sich vollkommen auf das, was er tut.
Auch seine Familie weiß, dass Peter diese Stunde für sich braucht und nur in echten Notfällen gestört werden kann. Nach dieser Stunde hat er wieder für alles Zeit, aber diese Stunde ist seinem Fortschritt auf dem Instrument gewidmet – in dieser Zeit konzentriert er sich auf DIESE EINE SACHE, die ihm wichtig ist.
Jens hingegen hat den Computer während des Übens immer an, und auch das Mail Programm ist immer auf – falls er eine wichtige Mail bekommt.
Auch sein Handy ist an, denn er muss „wichtige“ Nachrichten auf „WhatsApp“ empfangen können und erhält oft auch „wichtige“ Anrufe, die keine Minute warten können – er muss unbedingt immer erreichbar sein!
Während des Übens wird Jens zudem häufig von Familienmitgliedern unterbrochen, weil die Fernbedienung des Fernsehers Probleme macht oder der Müll rausgebracht werden muss.
Wenn man Jens beobachten würde, würde einem sofort auffallen, dass er kaum eine halbe Minute bei der Sache ist…
Peter sieht seine Übungszeit als „Termine mit sich selbst“ an und diese Termine sind ihm wirklich wichtig. Er plant im Voraus, wann er Zeit zum Üben hat, notiert sich diese Termine in seinen Kalender und hält sie ein.
23 Stunden am Tag ist er für die Welt da – diese eine Stunde ist für ihn, und diesen Termin hält er ein – auch wenn er manchmal ein wenig müde nach der Arbeit ist.
Manchmal wird es echt eng, mit all den Verpflichtungen die man so hat, aber Peter steht dann etwas früher auf und übt schon eine halbe Stunde bevor die Familie aufsteht.
Außerdem hatte sich Peter, bevor er überhaupt Unterricht nahm, überlegt etwas Platz in seinem Leben für sein neues Hobby zu schaffen und hat einige Aktivitäten reduziert bzw. aufgegeben, weil er wusste, dass er nicht alles gleichzeitig tun kann, wenn er Ergebnisse sehen will.
Peter weiß auch, dass er seine Zeit kontrollieren und einteilen muss – sonst wird die Welt dies für ihn tun, und er wird keine Zeit für irgendwas haben, weil ständig jemand etwas von ihm möchte und alles gleichermaßen „wichtig“ ist. Auf diese Weise wird niemals einer seiner Träume Realität werden!
Jens hatte sich ja auch vorgenommen wirklich eine Stunde am Tag zu üben, in der Praxis sieht das jedoch anders aus:
Jens ist ja auch noch im Fußballverein und Mitglied im Fitnessstudio, um sein Übergewicht abzubauen. Dann ist da noch der Zeichenkurs am Mittwoch in der VHS, der Englischkurs am Donnerstag und der Yoga Kurs am Wochenende – Jens hat wirklich viel zu tun!
Jens ist nicht Herr über seine Zeit, er plant zwar viele Dinge, die er verwirklichen möchte und fängt tausend Dinge an – bekommt aber in keiner einzigen Sache Resultate und kommt eigentlich zu nichts. Er sagt trotzdem immer, dass er das alles schon irgendwie „unter einen Hut bekommt“…
Peter hat einen Lehrer, der ein genaues Ziel für ihn entwickelt hat, einen großen Plan auf den beide hinarbeiten, und jede Unterrichtsstunde und Übungsminute bringt Peter diesem Ziel näher.
Peter bekommt von seinem Lehrer außerdem Übungsstrategien an die Hand, die ihm ermöglichen die meisten Resultate aus jeder Minute Übungszeit herauszuholen. Der Lehrer weiß auch, dass er für den neugierigen Peter die Informationen geschickt verwalten muss, um zu verhindern, dass Peter sich überfordert fühlt.
Der Lehrer von Peter weiß, dass früher oder später Gefühle wie Frustration aufkommen werden und bereitet ihn darauf vor, indem er ihm erklärt wie es dazu kommt und gibt ihm auch hier Strategien damit umzugehen.
Der Lehrer von Jens hat keinen Plan für ihn entwickelt. Er fragt Jens jede Stunde, was er heute in der Stunde machen möchte und Jens findet es super, dass der Lehrer so auf seine Wünsche eingeht! (Jens versteht nicht, dass dies ein deutliches Zeichen ist, dass sein Lehrer keinen Plan für seine Entwicklung hat und die Stunde gar nicht vorbereitet, sondern improvisiert…).
Übungsstrategien hat er nicht erklärt bekommen – der Lehrer meint, wenn man besser spielen will, muss man einfach noch mehr üben.
Jens´ Lehrer ist sich schädlicher Emotionen und deren Auswirkung auf die Fortschritte seiner Schüler bewusst, hat sich aber noch nie Gedanken darüber gemacht, wie man damit umgehen könnte. Er denkt aber, dass man da einfach „durch muss“ – außerdem hat er auch keine Zeit sich in seiner Freizeit auch noch mit solchen Themen zu beschäftigen.
Geh nun noch einmal zurück nach oben und vergleiche was Peter und Jens anders machen.
Kannst du dir denken, dass es absolut logisch ist, dass beide vollkommen andere Resultate bekommen MÜSSEN?
Es kann nicht anders sein, denn Peters Herangehensweise ist um 180 Grad verschieden zu der von Jens – so verschieden wie Tag und Nacht…und doch spielen beide Gitarre!
Mach Dir klar, dass nichts von den Dingen, die Peter macht mit Talent zu tun hat.
All diese Dinge könnte Jens ebenso tun, aber er tut sie nicht und er macht sich auch keine Gedanken darüber (was nicht zu seinem Vorteil ist).
Nach dem Gespräch wird Jens klar, dass Peter das Thema vollkommen anders angeht als er. Peter ist bei der Planung seiner Übungszeit (und auch bei der Planung seines Lebens) viel effektiver und konzentrierter und Jens versteht, dass es hier wahrscheinlich erstmal nicht um Talent geht, sondern um eine vollkommen andere Herangehensweise. Er sieht ein, dass seine Resultate direkt von ihm abhängig sind und das er, wenn er sich nicht entscheiden sollte seine Herangehensweise dramatisch zu ändern, keine besseren Resultate erwarten kann!
Wir sehen, dass das, was wir oberflächlich als „Talent“ bezeichnen, oft mit vielen anderen, grundlegend persönlichen Faktoren zu tun hat, die nichts mit natürlicher Begabung zu tun haben!
Alles Dinge, die sozusagen „unter der Oberfläche“ liegen – aber ALLE RESULTATE in unserem Leben bestimmen!
Glücklicherweise war Jens clever genug zu verstehen, dass viele andere Faktoren dazu beigetragen haben könnten, dass Peter mehr Fortschritte gemacht hat.
Stell Dir vor er hätte dieses Thema nicht weiter hinterfragt und wäre bei dem Gedanken, dass Peter „einfach mehr Talent hat“, hängengeblieben. Was wäre wohl passiert?
Er hätte mit hoher Wahrscheinlichkeit aufgegeben und hätte nun zusätzlich die Idee in seinem Kopf verankert, dass „er es mal mit Musik probiert hat, aber einfach untalentiert war“.
Wenn er dann andere Dinge probiert hätte, wie z.B. regelmäßig ins Fitnessstudio zu gehen, oder abnehmen und in diesen Dingen genauso ungeplant, unkonzentriert und chaotisch vorgegangen wäre – dann kann man sich ohne Schwierigkeiten vorstellen, wie auch in diesen Dingen die Resultate aussehen…
Nach vieler solcher Erfahrungen würde sich Jens dann irgendwann vielleicht als „Versager“ bezeichnen, der den Mut verloren hat, irgendetwas Neues zu beginnen.
Wahnsinn, weil nichts davon mit einem Mangel an Talent zu tun hatte, sehr wohl aber mit seiner persönlichen Herangehensweise.
Ich bestreite nicht, dass natürliche Begabung existiert, sondern sage nur, dass die persönlichen Faktoren eine sehr, sehr große Rolle spielen und man mit der richtigen Einstellung eine Menge erreichen kann, selbst wenn jemand anderes mehr Begabung hat.
Ich hoffe, dass dir mein Artikel geholfen hat, dieses Thema einmal aus einer anderen Perspektive zu betrachten.
- Kreativität
Das Thema Kreativität sorgt häufig für einige Verwirrung und ist mit vielen falschen Annahmen verbunden, die einem wirklich das Leben schwer machen können, wenn man an sie glaubt.
Hast Du schon mal ein Kind gesehen, das keine Phantasiegeschichten erfinden kann?
Ein Kind, das im Sandkasten Probleme hat sich auszudenken, was es bauen will?
Ich nicht.
Gibt es Erwachsene, für die die oben genannten Aufgaben fast unlösbar erscheinen? Eine Menge! Wenn Du es mir nicht glaubst, mach einen Test:
Gib ein paar Freunden oder Deinen Eltern die Aufgabe innerhalb von 30 Minuten eine Kurzgeschichte mit erfundenen Charakteren zu schreiben.
Ich garantiere Dir, dass Du kaum einen erwachsenen Menschen finden wirst für den das kein Problem wäre!
Woher kommt das? Warum ist eine Aufgabe, die für ein Kind überhaupt kein Problem darstellt, für Erwachsene enorm schwierig?
Wir werden alle als kreative Wesen geboren, die Herausforderung liegt allerdings darin, diese natürliche Kreativität nicht zu verlieren, wenn wir heranwachsen.
Je älter wir werden, desto mehr werden wir gedrillt Dinge auswendig zu lernen und dann einfach nur zu wiederholen.
Sobald die Grundschule vorbei ist, werden wir kaum noch nach unserer eigenen Meinung zu einem Thema gefragt und sollen stattdessen nur wiedergeben was Person X, Y, Z darüber denkt.
Wir müssen keine Phantasieaufsätze mehr schreiben und Geschichten erfinden – im Gegenteil! Uns wird eingebläut vernünftig und nicht aufmüpfig zu sein. Wir sollen die Dinge so lernen wie sie unterrichtet werden und basta. Hinterfragen ist unangenehm für den Lehrer und hält den Fluss der Informationsvermittlung auf.
Alle paar Jahre gibt es dann irgendwelche Ländervergleiche über unsere Bildungsinstitutionen und deren Methoden und Abschlüsse, die immer wieder zum gleichen Ergebnis kommen:
Schüler haben Schwierigkeiten mit dem kreativen Lösen von Problemen.
Die Politiker und Lehrer wundern sich und kratzen sich die Köpfe!
Es macht mich jedes Mal wahnsinnig davon zu hören…
Was erwarten wir denn?
Die Bildungsinstitutionen trainieren uns gute Papageien zu werden, investieren Jahre um dieses Ziel zu erreichen und wenn es dann irgendwann funktioniert, dann wundern wir uns und wünschen uns, dass unsere Schüler kreativer seien!
Absoluter Wahnsinn!
Kreativität ist ein Muskel. Wenn wir ihn nicht regelmäßig trainieren, erschlafft er und wir fallen einer sehr gefährlichen Idee zum Opfer:
Wir fangen an wirklich zu glauben, dass wir nicht kreativ seien.
Viele Menschen, die zu mir kommen, machen diese Aussage.
Den Satz „Ich bin nicht kreativ…“ höre ich immer wieder.
Meine Antwort ist diese: „Dieser Satz zeigt enorme Kreativität!“
Verwirrung.
„Hä? Warum?“
„Weil Kreativität Deine Natur ist und Du etwas verleugnest, das für Dich so natürlich ist wie Atmen! Um auf so eine Idee zu kommen, benötigst Du immense Kreativität, weil diese Vorstellung vollkommen absurd ist!“
Und so ist es! Wenn Du Dich selbst für nicht kreativ hältst, bist Du der Fisch, der Probleme mit dem Schwimmen hat!
Die Aussage wäre richtig, wenn sie so formuliert würde: „Ich fühle mich, als ob ich den Zugang zu meiner Kreativität verloren hätte…“ Das ist korrekt und so fühlt es sich für uns an.
Die Kreativität ist immer da, aber es ist leicht den Zugang dazu zu verlieren.
Diesen Zugang wieder herzustellen ist manchmal nicht leicht und benötigt viel Fingerspitzengefühl und Ausdauer – es ist ein Prozess, in dem es nicht darum geht noch mehr Informationen zu bekommen, sondern Einstellungen und Verhaltensmuster zu verlernen, die uns im Laufe von vielen Jahren unbewusst eingeimpft wurden.
Ein weiteres Missverständnis ist, dass Kreativität ausschließlich mit sogenannten „kreativen“ Tätigkeiten in Verbindung gebracht wird.
Wenn man Menschen bittet kreative Berufe aufzulisten, so werden sie mit hoher Wahrscheinlichkeit Berufe wie: Künstler, Schriftsteller, Musiker, Designer etc. nennen.
Das ist unsere Vorstellung von Kreativität.
Ich sehe Kreativität eher als einen Duft.
Ein Duft, der keiner speziellen Tätigkeit zugeordnet werden muss, aber über jeder Tätigkeit schweben kann.
Wenn Du jemanden kennst, der seine Kreativität nicht verloren hat und Du aufmerksam bist, dann wirst Du merken, dass dieser Mensch in den tausend Dingen des Alltags kreativ ist und seinen Spaß hat. Er wird mit Worten spielen und ständig irgendwelche Wortschöpfungen und Geschichten erschaffen.
Er wird Dinge einfach auf eine andere Art erledigen und der Duft der Kreativität liegt über allem was er tut. Er ist nicht nur von 10 bis 12 kreativ, wenn er an seinem neuen Buch schreibt – sondern 24 Stunden am Tag.
Da er so konstant seine Kreativität trainiert, wie einen Muskel durch körperliches Training, fließt sie konstant und ohne große Mühe und Anstrengung.
Andererseits gibt es auch die Fähigkeit, Themen, die wir mit Kreativität in Verbindung bringen, vollkommen unkreativ zu unterrichten.
Dies passiert natürlich meistens nicht willentlich, sondern unbewusst und entspringt einfach unserer Konditionierung.
Wir unterrichten so, wie wir selbst unterrichtet wurden – es sei denn, dieser Umstand fällt uns irgendwann auf, und wir treffen die bewusste Entscheidung dieses Problem zu ändern. Bis zu diesem Punkt sind wir selbst Gefangene der eigenen Konditionierung und geben diese unbewusst weiter.
Was meinst Du zu diesem Thema? Hältst Du Dich für kreativ oder meinst Du, dass Du überhaupt nicht kreativ bist? Wie beeinflussen unsere Bildungssysteme wie Schule und Universität unseren Zugang zur eigenen Kreativität? Wie würdest Du an die Aufgabe herangehen, Deine eigene Kreativität wieder zu entdecken?
All dies sind Fragen, über die es sich nachzudenken lohnt.